UdZPraxis 2/2019

34 UdZ Praxis Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung verschwimmen zunehmend klassische Branchengrenzen bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder. Die Abhängigkeiten steigen durch einen erhöhten Bedarf an Kollaboration. Zudem zeichnet sich das Verhältnis beteiligter Akteure vermehrt durch eine Mischung aus Wettbewerb und Kooperation aus. Harvard-Wissenschaftler James F. Moore 1 postulierte als Erster, dass in Analogie zu Ökosystemen in der Natur auch langfristig erfolgreiche Unternehmen in gewissen Or- ganisationsstrukturen und Abhängigkeiten agieren. Die Übertragung des Ökosystem-Konzepts auf die Geschäftswelt eröffnet die Sichtweise, dass Unternehmen nicht mehr als Mitglieder einer einzigen Branche anzusehen sind und das Wertversprechen nicht allein von einem Produkt oder einer Dienstleistung ausgeht, sondern von einem Geflecht an verschiedensten Akteuren, die allesamt zu einem fokalen Nutzenversprechen beitragen 2 . Insbesondere das Ausmaß der sogenannten „Koopetition“ erweist sich als charakteristisch für die Beziehung zwischen den beteiligten Akteuren. Um dem Verständnis der komplexen Thematik auch in der Praxis näher zu kommen, wurde im Bereich ‚Business Transformation‘ am FIR ein neuer An- satz für die strategische Analyse von Business-Ecosystems (kurz BE) ent- wickelt. Aufbauend auf dieser Analyse sollen auch Engpässe (engl. Bottle- necks ) im Business-Ecosystem identifiziert und in Überlegungen frühzeitig miteinbezogen werden. Business-Ecosystems als neue Struktur der Wirtschaftsbeziehungen Die fortschreitende Digitalisierung führt etablierte Unternehmen welt- weit in eine paradoxe Phase des massiven Wandels. Einerseits profitieren sie vom schnell wachsenden Datenaustausch. Gleichzeitig bilden neue datenbankbasierte Dienste und immer leistungsfähigere Netzwerke die Grundlage für disruptive Geschäftsmodelle. Weltweit führende Unternehmen schätzen das sogenannte „Internet der Dinge“ (engl. Internet of Things , kurz IoT ), das bis 2020 voraussichtlich mehr als 30 Milliarden vernetzte Objekte umfas- sen wird 3 , als besonders zukunftsträchtiges, in- novatives Geschäftsfeld ein. Die Grundidee des IoT ist es, physische Objekte jeglicher Art zu ver- netzen. Diese Vernetzung ermöglicht unter an- derem die kontinuierliche Überwachung, Steue- rung und Analyse unterschiedlichster Prozesse. Um in diesem Geschäftsfeld einen Kundennut- zen bieten zu können, müssenUnternehmen den intensiven Wettbewerb sowie die Zusammen- arbeit mit Softwareunternehmen, Plattform- anbietern und Hardwareherstellern optimal managen und eine eigene vielversprechende Positionierung finden. Das Verhalten eines komplexen Systems wie das eines Ökosystems ist aufgrund seiner inhä- renten Nichtlinearität oft schwer vorhersagbar. Die Relevanz der Betrachtung des gesamten Business-Ecosystem lässt sichgut amBeispiel von Nokia veranschaulichen. Als Nokia im Jahr 2002 das erste 3G-gestützte Mobiltelefon erfand, das neben Sprachübertragung auch Datenstreaming ermöglichte, schien das Unternehmen beim Thema Innovation alles richtig zu machen. Was Nokia jedoch nicht bedacht hatte, war, dass der Erfolg des neuen Produkts von einigen weiteren, ergänzenden Produkten und Dienstleistungen durch Infrastruktur- und Inhaltsanbieter abhän- gen würde 4 . Ohne Innovationen durch Partner in Bereichen wie automatisierten Zahlungssys- temen, personalisiertem Video-Streaming oder standortbezogenen Diensten verfehlte Nokia die Projektionen der Markteinführung und musste dann mit ansehen, wie die Firma Apple im Jahr 2007 mit ähnlichen Bemühungen erfolgreich war. Als Apple das iPhone auf den Markt brach- te, waren die Partner des Unternehmens für mobile digitale Dienste im Business-Ecosystem bereit, die noch junge 3G-Technologie zu unter- stützen 5 . An diesem Beispiel ist der Wandel von 1 s. Moore 1993, S. 75 2 s. Kapoor 2018, S. 6 3 s. Rayes u. Salam 2019, S. 22 4 s. Adner 2012, o. S. 5 s. Järvi u. Kortelainen 2017, S. 224

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