UdZPraxis 2-2016

43 Im Fokus | UdZ Praxis Es wird sehr schwer sein, ohne das Experiment zu einem aussagekräftigen vollständigen Ergebnis zu kommen. Die Schläfrigkeit, die man da zu beobachten meint, ist zwar faktisch auch da, jedoch ist gleichzeitig der Angriff der Kritiker leicht unberechtigt, da man ohne das Experiment nun mal das Ergebnis nicht kennt . Su: Sie haben in Ihrem Text Bezug auf Frank Riegers Artikel in der FAZ, „Automatisierungsdividende für alle“, genommen, in dem es um indirekte Besteuerung von nichtmenschlicher Ar- beit geht. Bei diesem sehr spannenden Thema sind wir ja auch schon wieder in den Gefilden, in denen man noch nicht ganz ge- nau weiß, wie und was sich in der Arbeitswelt, bezüglich der Erwerbsarbeit etc. im Zuge der Digitalisierung ändern kann und sollte. Aber man muss sich trotzdem schon gedanklich-spiele- risch auf das Thema und solche Überlegungen einlassen, weil irgendwann die technologische Entwicklung wieder so schnell gewesen ist, dass man nicht zu lange gewartet haben sollte mit begleitenden Ideen bezüglich der Folgen. Es scheint aus diesem Grundmittlerweile vermehrt Diskussionen zu demThema zu ge- ben. Ist es sichtbar, dass der ganze große Themenkomplex Neue digitale Arbeitswelt/Erwerbsarbeit/Bedingungsloses Grundein- kommen breiter akzeptiert ist als vor 15 Jahren und ergebnisof- fener diskutiert wird? S. Jeschke: Ja, das ändert sich. Zur öffentlichen De- batte kann man sehr gut die aktuellen Beispiele Finn- land und Schweiz nennen, die beide mit etwas unter- schiedlichen Parametern solche Konzepte sehr laut diskutieren. Und ich glaube, wenn Nationen, die als vernünftig, demokratisch und liberal gel- ten, anfangen, über solche Themen zu phi- losophieren, kommen diese auch aus den Nischen heraus. Das Thema ist auch in Deutschland gesellschaftsfähig gewor- den und verschiedene Wissenschaft- ler und auch Manager haben sich hier inzwischen positioniert. In der Vergangenheit haftete die- sem Gedanken immer die un- terschwellige Unterstellung an, dass es einen erheblichen Anteil an „grundsätzlich faulen Men- schen“ in der Gesellschaft gäbe, die nicht arbeiten wollten und ein solches System einfach aus- genützt würden. So wurde das gesamte Thema des be- dingungslosen Grundeinkommens auf die Frage zusam- mengezogen, ob man das denn wirklich unterstützen wolle. Weil es aus der Ecke heraus diskutiert wurde, ist es eben auch da gelandet, wo es gelandet ist. Heute ist klarer geworden, dass es andere gesellschaftli- che Lebensmodelle als das der Vollbeschäftigung geben kann. Denn einmal sehr grundsätzlich gedacht – vor 10 000 Jahren ist niemand um 8:00 Uhr in Büro gegangen und die Menschen haben trotzdem blühende Kulturen aufgebaut – und als Spezies bis zum heutigen Zeitpunkt überlebt. Wir leben in einer Phase extremer Fokussierung des gesamten Lebens auf die Erwerbstätigkeit. Wir schi- cken unsere Kinder in die KiTa, damit sie auf die Schule vorbereitet werden, damit sie optimal vorbereitet sind auf eine Ausbildung, die wiederum in einen Job führt, den man ausübt, bis man 65 ist, und selbst die finanzielle Ausgestaltung der Rentenphase orientiert sich an unse- ren Einkünften aus dem Erwerbsleben. Dieses Modell ist jedoch eine Entwicklung der letzten paar hundert Jahre, und wir haben es professionalisiert. Dennoch ist dies nicht das einzige Lebensmodell des „Humans“. Su: Es ist schön, dass die Akzeptanz so langsam größer wird, es sich erlauben zu dürfen, in diese Richtung zu denken. Diesen Prozess bemerke ich erst seit einigen Jahren. Denn ich sehe die starke gesamtgesellschaftliche und politische Beschäfti- gung mit diesem Thema auch als unausweichlich an, gerade im Hinblick auf Robotik und Digitalisierung. Man hat wirklich irgendwann nur noch begrenzt Arbeitsplätze für eine Gesell- schaft zur Verfügung und kann auch nicht verlangen, dass die Menschen einfach irgendetwas arbeiten, im Zweifel etwas völ- lig Sinnentleertes, nur um der Arbeit Willen. Natürlich kann je- mand sich umschulen lassen oder sich umorientieren, aber es gibt ja immer noch Begabungen, Talente und Neigungen von Persönlichkeiten, die in die Gesellschaft eingebracht werden können, aber nicht prädestiniert sind für Technik, Produktion, Wirtschaft, IT… S. Jeschke: Diese Räume, was natürlich für die Gesellschaft getan werden kann, werden sich meiner Ansicht nach viel stärker in den Bereichen bewegen, wo Menschen um ihrer selbst willen geschätzt werden. Radikal gedacht können Roboter möglicherweise mittelfristig alle haptischen Tä- tigkeiten der Menschen übernehmen. Und wenn es darum geht, große kognitive Fähigkeiten zu übernehmen, wird die Technik auch immer besser. Die klassischen Berufe werden in der jetzigen Form zusammenbrechen. Es entstehen den- noch neue Berufe, in der Gestaltung, in der Neuentwick- lung, in der Programmierung, in der Entwicklung oder in Die klassischen Berufe werden in der jetzigen Form zusammenbrechen. Es entstehen jedoch neue...

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