UdZPraxis 2-2016

40 UdZ Praxis | Im Fokus Su: Das immer präsentere Thema Digitalisierung, das ja tat- sächlich unsere Zukunft stark prägen wird, wird in der Tages- und Wochenpresse und auch in den Fachmedien oft nur sehr schmalspurig und einseitig behandelt. Einige Publizisten und auch Fachleute stehen dem Thema sehr kritisch gegenüber; viele betrachten es aus hauptsächlich wirtschaftlicher Sicht sehr positiv. Auch an den Universitäten und Hochschulen scheint das Thema naturgemäß eher Ingenieure und Informa- tiker neben Arbeitswissenschaftlern anzusprechen, und auch dort wird meist dasselbe gesagt und regelmäßig wiederholt, in der Regel die Chancen aus technischer und wirtschaftlicher Sicht betreffend. Ihr Artikel, den wir dankenswerterweise in unserer UdZPraxis abdrucken durften, nachdem er im Rah- men des Wissenschaftsjahrs 2014 erschienen war, greift das Thema wohltuend weitblickend und mit breitem themati- schen Fokus auf und beleuchtet Positives wie Negatives. Ist dieses Thema nicht eigentlich sowieso die Gelegenheit, aus dem jeweiligen disziplinären Blickwinkel herauszutreten? Verlangt dieses Thema es nicht sogar, teilweise rein fach- spezifische Sichten abzuschütteln, weil den Herausforderun- gen dieser Entwicklung gar nicht allein zerfasert nach Fach- richtungen angemessen begegnet werden kann? S. Jeschke: Es liegt in der Natur der Sache, dass Exper- ten zunächst einmal fachspezifisch ausgebildet sind. Ein Produktionschef eines Automobilkonzerns wird sich in der Regel mit Produktion, Automatisierungspro- zessen und Logistik besser auskennen als in der Sozio- logie. Dies ist ihm auch nicht vorzuwerfen. Das Problem der Vergangenheit ist jedoch tatsächlich eine Sparten- ausbildung, die nicht im Kontext des Interdisziplinären steht, die das Interdisziplinäre sogar verleugnet. Noch immer belächeln Experten die interdisziplinären Aus- bildungen, da sich deren Absolventen zwar in vielen Bereichen, aber dafür weniger „tief“ auskennen. Diese Enge ist nicht mehr zeitgemäß. Die zentralen Heraus- forderungen liegen an den Schnittstellen der Diszipli- nen, und sie lassen sich auch nur durch die Komposition der verschiedenen Theorien und Methoden lösen. Eine gesellschaftliche Öffnung der Thematik können wir unter anderem in einer Digitalisierungsstudie fest- stellen, die wir im Auftrag eines führenden deutschen Automobilherstellers verfassen. Der Schwerpunkt lautet, salopp formuliert: „Sagen Sie uns, was Indust- rie 4.0 für die Weiterentwicklung von Arbeit bedeutet – was ist ‚Arbeit 4.0‘?“. Nur wenn man solche Fragen radikal und ganzheitlich diskutiert, können Strategien hinsichtlich neuer Kompetenzentwicklungsmodelle erarbeitet werden. Sozialwissenschaftliche Aspekte, Professorin Sabina Jeschke, Direktorin des C ybernetics Lab IMA/ZLW & IfU der RWTH Aachen , ist eine vielgefragte Rednerin – insbesondere zum Thema Industrie 4.0/Digitalisierung – und bekannt dafür, weit über ihre Disziplin hinaus- zuschauen und Impulse zu geben. Besonders interessierten uns ihre Gedanken zu den drei Entwicklungspfaden aus dem vorangegangenen Artikel: Bildung, die Finanzierung von Erwerbstätigkeiten, die von zentraler Bedeutung für eine humane Gesellschaft sind, und das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). UdZPraxis-Redaktionsmitglied Simone Suchan (Su) sprach mit Sabina Jeschke über Interdisziplinarität, gesellschaftliche Entwicklungen und die Zukunft. unser Leben wird... Die Zukunft wird immer digitaler - ? -Interview- Ein Blick über den fachlichen Tellerrand

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