UdZPraxis 1/2020

46 UdZ Praxis | Gastbeitrag Konkret bedeutet das: Werden die Prozesse des künftigen Einkaufs,seineAufgabenundFunktionenneuaufdieverschie- denen Funktionen, Rollen und Teams übertragen, braucht es auch eine Ebene der Zusammenarbeit. Diese ganzheitliche Neugestaltung und deren Zusammenspiel vom Kunden über den Verkauf, die Produktion zum Einkauf und seinen Liefe- ranten nennen wir Value-Added-Network (VAN). Das VAN lässt sich mit modernen Tools sehr gut digitalisieren, weil es sich wie die IT konsequent am Prozess und nicht an Ab- teilungsgrenzen orientiert. Spezialisten statt Generalisten Hierfür muss sich der Einkauf verändern. Er wird sich von seiner heutigen, eher starren Warengruppenorientierung und den damit verbundenen Hierarchien zumindest partiell verabschieden und sich in funktionsübergreifenden Teams zusammenfinden. Eine erfolgreiche Blaupause hierfür liefert der Projekteinkauf. Gleichzeitig wird der strategische Einkauf arbeitsteiliger: Strategische Einkäufer*innen bleiben nicht länger die Generalisten für alle mit dem Prozess verbundenen Aufgaben (wie Ausgabenanalyse, Warengruppenstrategie, Sourcing, Ausschreibung, Verhandlung, Lieferantenmanagement). Sie werden zu Product-Ownern und Expert*innen für bestimmte strategische und taktische Teilprozesse. Was brauchen die Stakeholder? Das Arbeiten in solchen digitalen, prozessorientierten Netz- werken macht den Einkauf schneller (Time-to-Market) und agiler. Der Prozess fokussiert die Bedürfnisse der Stakehol- der, im Zentrum stehen Kundennutzen und Servicelevel. Somit steigt der Wertbeitrag des strategischen Einkaufs mit Blick auf den Output für die gesamte Lieferkette deutlich. Am Beispiel des Projekteinkaufs als Spezialist für den Pro- duktentstehungsprozess lässt sich das in vielen Unterneh- men bereits sehr gut beobachten. Ein weiterer Vorteil dieser Organisationsform: Sie lässt sich in ihren weiteren Teilprozes- sen sehr viel besser über digitale Module unterstützen. Ein- zelne Teilaufgaben lassen sich schon heute im strategischen Einkauf sehr gut automatisieren. Paralleles, agiles Vorgehen Ist der Einkauf der Zukunft beschrieben, geht es im nächs- ten Schritt darum, seine Funktionen in ihre Basisprozesse zu zerlegen, um diese mit Blick auf das Zielbild neu zu organi- sieren. Die Zeit des sequenziellen, auf einzelne Warengrup- pen bezogenen Abarbeitens ist damit vorbei. Es wird ersetzt durch ein paralleles, agileres Vorgehen auf unterschiedli- chen Ebenen, in unterschiedlichen Rollen, Funktionen und Teams. Diskutiert man dieses Vorgehen mit Einkaufsmana- gern, wundern sich diese regelmäßig, wie grob Einkaufspro- zesse in der Praxis tatsächlich nur ausdefiniert sind. Auf die Frage „Wie lassen sich operative, taktische und strategische Prozesse weiter untergliedern?“ wissen viele keine zufrie- denstellende Antwort. Heute verschwimmen die Aufgaben Die Prozesslogik ist deshalb so entscheidend, weil sie auf- zeigt, an welchen Stellen eine Arbeitsteilung sinnvoll ist und wo die Digitalisierung die besten Effekte erzielen kann. Be- sonders im taktischen und strategischen Bereich verschwim- men die Aufgaben und Abläufe durch die Warengruppenori- entierung in Einkaufsabteilungen heute noch sehr stark. Zwar sind die Einkäufer*innen inzwischen (wenigstens) ihre ope- rativen Aufgaben los. Taktisch und strategisch betreuen sie jedoch meist alle Einkaufsprozesse. Das heißt, sie managen für ihre Warengruppen die gesamte, komplexe Prozesskette. Einkauf um die Arbeit sortieren – nicht umgekehrt! Dazu gehören für die meisten strategischen Einkäufer*innen die strategische Planung und die Strategieentwicklung, aber auch das Lieferanten-, Innovations- und Kostenmanagement. Hinzu kommen taktisch die mittelfristige Bedarfs- und Kapa- zitätsplanung (SOP-Prozess), das eigentliche Sourcing, die Bedarfsspezifikation, Ausschreibungen und Verhandlungen sowie das Vertrags- und Lifecycle-Management. Im Zentrum steht damit der Einkäufer, um den herum sich die Arbeit sor- tiert. Agile Ansätze organisieren jedoch den Menschen um die Arbeit. Das bedeutet, im Zentrum steht der einzelne Ge- schäftsprozess und dessen optimale Durchführung, um den herum sich der Einkauf organisiert. Beispiel: Ausschreibungsprofis Die Digitalisierung hilft in klassischen Organisations- und Ar- beitsstrukturen nur bis zu einem gewissen Punkt. RFX-Facto- rys, um ein Beispiel zu nennen, die als Product-Owner aus dem Einkauf heraus den Prozess der Ausschreibung für das gesamte Unternehmen agil vorantreiben, lassen sich über digitale Tools hingegen hervorragend unterstützen. Dass moderne Systeme intensiv genutzt werden, ist, wenn Spezialisten damit arbei- ten, selbstverständlich. Über klägliche Nutzungsquoten von RFX- oder E-Auction-Modulen brauchen wir dann nicht mehr zu sprechen. Und der Output steigt ebenfalls, zumal die Aus- schreibung (gegebenenfalls kombiniert mit einer Auktion) sehr

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