UdZPraxis 1/2020
39 UdZ Praxis ein Industrieunternehmen kommt heute noch ohne betriebliche Anwendungssysteme aus. Während in der Vergangenheit noch immer auf Excel-Listen als Instrument in der Auftragsabwick- lung gesetzt wurde, waren laut eines VDMA -Reports von Oktober 2018 bei 100 Prozent der dort analysierten Unternehmen ERP-Systeme im Ein- satz. 1 ERP-Systeme decken die Prozesse vom Lieferanten bis zum Kunden ab, haben aber aufgrund des zeitlichen Horizonts eine systembedingte Schwachstelle in der technischen Auftragsabwicklung. Da zwischenzeit- lich auf Seiten der IT-Unterstützung vermehrt der Fokus auf die Produk- tion gelegt wird, kommen ERP-Systeme an ihre Grenzen und neue Lösun- gen werden erforderlich. Sogenannte Manufacturing-Execution-Systeme (MES) bieten da einen ersten Ansatz als zentrale Datendrehscheibe und zur Abdeckung der Anforderungen in der horizontalen Integration. Pro- blematisch ist jedoch, dass ERP- und ME-Systeme sich in ihren jeweiligen Funktionalitäten sowohl unterscheiden als auch überschneiden können – so kann es z. B. im Bereich der Materialwirtschaft durchaus sein, dass ERP-Systeme eine ähnliche Funktionstiefe wie MES haben oder sogar eigenständige Warehouse-Management-Systeme (WMS) integrieren. IT-Systeme sind schließlich für ihre Flexibilität bekannt (bzw. werden da- für angepriesen) und Änderungen können zwar durch den Systemanbie- ter programmiert werden, erhöhen aber auch die Systemkomplexität und den Projektumfang. Für Sie als Kunden und Nutzer der IT-Systeme wird es daher zusehends schwieriger, einen Überblick über die am Markt erhältli- chen Systeme und die darin enthaltenen Funktionalitäten zu behalten. Der letztendlich essenzielle Transfer dieser möglichen Systeme auf Ihr eigenes Unternehmen scheint daher unmöglich. Zudem reicht ein reiner Fokus auf die Auswahl eines MES zur Abbildung der Anforderungen unterhalb eines ERP- bzw. PPS-Systems heute nicht mehr aus. Es müssen die einzelnen pro- zessbedingten Funktionalitäten in den Blick genommen werden, die heute oder in Zukunft durch das Unternehmen verwendet werden, ungeachtet der Frage, ob das spätere System ERP, MES, WMS etc. heißt. Den Anstoß zur Überarbeitung der betrieblichen Systemlandschaft gibt meist der unternehmerische Wunsch, Industrie 4.0 einzuführen, also groß- flächig Abläufe zu digitalisieren. Dies geht nicht ohne Standardisierung von (werksübergreifenden) Abläufen. Unternehmen wünschen sich eine echtzeitfähige Transparenz ihrer Produktion und eine einheitliche Daten- basis, um den digitalen Schatten oder den digitalen Zwilling von Produkten und Anlagen ihrer Produktion abbilden zu können. Die neue Datenbasis ermöglicht Unternehmen, Data-Analytics-Projekte erfolgreich durchzufüh- ren und eine Single Source of Truth zu schaffen – also genau zu wissen, welche datenbasierte Aussage nun der Wirklichkeit entspricht. Das ist vor allem von Bedeutung, wenn Kunden Hintergrundinformationen zu den Produkten fordern. Spätestens im Servicefall wird das ‚Tracking und Tra- cing‘, also Aussagen darüber treffen zu können, welche Teile aus welcher Charge und mit welcher Historie im Endprodukt verbaut wurden, wichtig. Darüber hinaus soll der Pflegeaufwand historisch gewachsener System- landschaften (redundanter Systeme) reduziert und die Zukunftssicherheit des Unternehmens gesichert werden. 1 s. Reimann 2018, Folie 8 K
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