UdZPraxis 1/2020
36 UdZ Praxis erringerte Losgrößen, eine agiler werdende Produk- tion, verkürzte Marktzyklen und stetig zunehmen- de Datenmengen stellen Unternehmen stets vor die Herausforderung, immer wieder aufs Neue Transparenz zu schaffen und individueller werdende Kundenwünsche zu erfüllen. Der Einsatz von ‚Tracking & Tracing‘-Systemen zum Aufbau eines digitalen Schattens 1 ist eine Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen. Nicht zuletzt durch das im Jahr 2019 verschärfte Konzept der Rückverfolgbarkeit von Arzneimitteln der pharmazeutischen Industrie in Deutsch- land ist das Thema ‚Tracking & Tracing‘ aktuell heiß disku- tiert. Für den weltweiten Markt von ‚Tracking & Tracing‘- Systemen wird bis 2024 eine jährliche Wachstumsrate von 12,65 Prozent prognostiziert. 2 Tracking bezeichnet die zeitpunktbasierte Verfolgung einer Einheit über den gesamten Prozess, während mit Tracing das Abbilden der Historie der Stationen über den Produktionspro- zess hinweg beschrieben wird. Kernfunktionen von ‚Tracking & Tracing‘-Systemen sind die Überwachung von Abläufen und das Aufzeigen von Abweichungen. Hierdurch können Prozesse eigenständig angesteuert werden. Als Folge der entstehenden Transparenz eröffnet sich die Möglichkeit zur flexiblen Produk- tion, welche sich anhand adaptiver Planung stetig verbessert. 3 Vorteile von ‚Tracking & Tracing‘-Systemen Durch den Einsatz von ‚Tracking & Tracing‘-Systemen können Risikobestände halbiert und Sonderkosten wie für Luftfracht und Sonderfahrtenumca. 70Prozent reduziertwerden 4 , daFrühwarn- systeme die Reaktionszeit in der Logistik verringern. Für Logistik- dienstleister wie DHL gehören diese Systeme im B2C-Bereich be- reits zur Basisunterstützung. Im B2B-Bereich, insbesondere über mehrere Wertschöpfungspartner hinweg, wird jedoch bislang kaumbis gar nicht auf diese Systeme zurückgegriffen. Dabei schaffen ‚Tracking & Tracing‘-Systeme erhebliche Trans- parenz in Produktion und Lieferkette. Mithilfe dieser gewon- nenen Transparenz eröffnen sich neue Möglichkeiten zur fle- xiblen Gestaltung neuer und bestehender Geschäftsprozesse sowie zur Kostensenkung. Hauptsächlich reduzieren sich Such-, Buchungs- und Inventuraufwände. Diese Reduktion senkt die Kosten entlang der gesamten Auftragsabwicklung erheblich. Bereits durch die Einführung eines selbststeuernden Anlieferprozesses lässt sich die Durchlaufzeit von LKWs um 57 Prozent reduzieren und der administrative Aufwand nahezu komplett eliminieren. 5 Ein weitergehendes ‚Tracking & Tracing‘ von Komponenten und Bauteilen in der Fabrik ermöglicht zu- dem schnellere Reaktionszeiten, geringere Transportkosten und eine höhere Planungssicherheit. Diese Verbesserung der logistischen Fähigkeiten führt direkt zu einer höheren Kunden- zufriedenheit. ImFalle einer Reklamation schafft die lückenlose Rückverfolgbarkeit zusätzlich eine wertvolle Datengrundlage zur Eingrenzung von Rückrufaktionen. Die Darstellung der Po- sition und des Status in Echtzeit verhindert Schwund, Suchvor- gänge und Lieferengpässe. So kann die konsequente Einfüh- rung von ‚Tracking & Tracing‘-Systemen zu einer signifikanten Steigerung des FPY ( first pass yield ) führen. 6 Durch die gewonnene Transparenz entsteht zudem eine wich- tige Datengrundlage für langfristige Wettbewerbsvorteile. Unklarheiten über eigene Prozesse werden aufgelöst, sodass Probleme und Schwachstellen aufgedeckt und Prozesse gezielt optimiert werden können. Weitergehende Automatisierungs- und Process-Mining-Projekte setzen eine prozessorientierte und automatisch bearbeitbare Datengrundlage voraus, welche sich aus Tracking & Tracing ergibt. So können beispielsweise die ein- zelnen Eventdaten eines ‚Tracking & Tracing‘-Systems genutzt werden, um mit Methoden des Process-Minings automatisch Schwachstellen und Prozessabweichungen zu identifizieren. Weiterhin versetzt die echtzeitnaheÜbersicht über Produktions- prozesse und Lieferketten Unternehmen in die Lage, ein effek- tives Störungsmanagement zu implementieren. Durch frühzei- tiges Einsteuern von Vorfällen und Planabweichungen, können so Kosten und Lieferzeiten reduziert werden. Hierdurch können logistische Objekte und Anlagenbesser ausgelastet werden. Darüber hinaus ermöglicht es der systematische und klare Über- blick über Prozesse und Lieferketten, den regulatorischen Anfor- derungen nachzukommen. Bereits heutzutage erfordern Rück- verfolgungspflichten, beispielsweise in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie, den Einsatz von ‚Tracking & Tracing‘-Systemen. Für Zertifizierungen von Lieferketten und Prozessen führen ‚Tra- cking & Tracing‘-Systeme und die daraus entstehende Transpa- renz somit zu entscheidendenWettbewerbsvorteilen. 1 Der Digitale Schatten [„Digitaler Zwilling“, Anm. d. Verf. Jokim Janssen] beschreibt in hinreichender Genauigkeit das digitale Abbild eines realen Ob- jektes im Kontext eines Betrachters im Wertschöpfungsnetzwerk. (s. Schuh et al. 2016, S. 48). 2 s. Industry Reports (Hrsg.) 2019 3 ebda. 4 s. Recknagel u. Beisswenger 2020, S. 43 5 s. Roth 2016, S. 361 f. 6 s. Jahn 2016, S. 256 V
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