UdZPraxis 1-2015

„ I ndustrie 4.0“, „Digitalisierung“, „vierte industrielle (R)Evolution“ – dies sind Schlagwör- ter, die bislang viel Wirbel verursacht haben, aber zunehmend auch Auswirkungen auf die indus- trielle Praxis und die Zukunft der Arbeit haben. Die Bundesregierung hat mit dem Ausrufen der Zukunftsprojekte „Industrie 4.0“ (ZP1) und „Smart Service Welt“ (ZP2) als Teil der 2006 ge- starteten Hightech-Strategie eine nachdrückliche, wenn auch nicht ganz eindeutige Handlungsauf- forderung an alle Unternehmen formuliert, „In- novationen für die Produktion und Dienstleistung und Arbeit von morgen“ (s. Kagermann et al. 2014) engagiert voranzutreiben. Niemand zweifelt mehr ernsthaft daran, dass sich der sich hinter dem Begriff Industrie 4.0 verbergen- de Entwicklungssprung in Produktion und Automa- tion vollziehen wird – die digitale Entwicklung ist nicht aufzuhalten, die Verschmelzung von Informa- tions-/Kommunikationstechnologie (IKT) und Ma- schinen bzw. Produktionssystemen hat gerade erst begonnen. Diese Tatsache ist schon in der Realität von Otto Normalverbraucher angekommen, Beispiel Au- tomobilindustrie: Schon jetzt benötigt man für moderne Kraftfahrzeuge häufiger IT-Support als einen Mechaniker, dann nämlich, wenn nicht die Hardware, sondern die benötigte Software nicht funktioniert wie geplant. Zweifelhaft ist also nicht, dass es die „vierte in- dustrielle (R)Evolution“ geben wird, sondern eher, ob Deutschland als Land der Ingenieure und füh- rende Industrienation seinen Vorreiterstatus auch unter diesen veränderten Bedingungen wird hal- ten und ausbauen können – oder ob sich Deutsch- land hinter den USA und Asien einreihen muss. Aktuell mehren sich daher ebensolche Stimmen, die die Debatte um Industrie 4.0 und Deutsch- „Wirkliche Produktivität schaffe ich, wenn ich nicht mit 25 Leuten telefonieren muss, um den Zustand eines Unternehmens abzufragen, sondern wenn ein Knopfdruck genügt." (Prof. Dr. Günther Schuh, Direktor des FIR e. V. an der RWTH Aachen) land als bloßen Hype, das deutsche Engagement um dieses Thema als Luftnummer kritisieren oder mahnen, dass unsere Unternehmen für diese An- forderungen nicht gerüstet sind, unsere Indust- rie nicht ausreichend vorbereitet und ausgestat- tet ist (vgl. Bröhl 2015; Frost 2015; Maier u. Student 2015; Sohn 2015; Tauber 2014 ). Jüngst erst ging durch die Presse, dass die Platt- form Industrie 4.0, getragen von den drei großen Industrieverbänden ZVEI , VDMA und BITKOM , aufgehen solle in einer neuen Dialogplattform In- dustrie 4.0 des Bundeswirtschaftsministeriums, da man zu wenig vorankomme in der Entwicklung von Industrie 4.0 (s. Zühlke 2015). Parallel grün- deten T-Systems und Fraunhofer eine weitere Initi- ative, die mittels praxisbezogener Forschung hel- fen solle, „dem I[ndustrial] I[nternet] C[onsortium] Paroli zu bieten“, so Reinhard Clemens, CEO der Telekom -Tochter T-Systems (ebda, 2015). Warnungen, bestimmte Ansätze zur Verstetigung von Industrie 4.0 seien falsch, sind in ihrer Be- rechtigung nicht so einfach von der Hand zu wei- sen, so z. B. die recht dezidierte Kritik Winfried Felsers in der Huffington Post im Herbst letzten Jahres: Neben „unvermeidbaren Herausforderun- gen der deutschen Innovations-DNA“, mit denen „wir auch in Zukunft leben“ müssten, monierte er falsche strategische Weichenstellungen, wie die Konzentration auf Basistechnologie (Radio- frequenzidentifikation – RFID – statt integrierte Systeme),dieunzureichendeDifferenzierung(Kon- kurrenz statt Kollaboration), das ungenutzte Mittelstandspotenzial (s. Felser 2014). Fakt ist, dass gerade die deutsche Kooperations- stärke noch nicht genügend zum Tragen kommt und aktuell auch innerhalb Deutschlands mehr in Konkurrenz als in Kollaboration gedacht und gewirkt wird. Um Industrie 4.0 aber auch hier- zulande mitgestalten zu können, ist gerade Zu- 8 UdZ Praxis

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